Biofleisch von wilden Weiden

Nordbauer: Bunde Wischen
 

Ein Gastbeitrag von Frank Griesel

Die Genossenschaft Bunde Wischen bewirtschaftet im Nordosten Schleswig-Holsteins 1.600 Hektar Naturschutzflächen mit rund tausend Rindern und 75 Wildpferden. Das Ergebnis ihrer Arbeit sind nicht nur wunderschöne Wiesen, halboffene Weidelandschaften und seltene Orchideenarten, sondern auch hochwertiges Biofleisch von Rindern, die leben können wie ihre Vorfahren.

© Bund Wischen eG

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Ob seltene Kleearten, der vom Aussterben bedrohte Lila-Goldfalter oder Rote-Liste-Arten wie Laubfrosch und Rotbauchunke: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Genossenschaft Bunde Wischen erhalten viele kleine Paradiese – für Menschen, Tiere und Pflanzen. Angefangen hatte alles mit einer verrückten Idee. 1986 wollte eine Naturschutz-Gruppe des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) südlich von Flensburg eine Wiese mit seltenen Orchideen erhalten. Testweise ließen sie das Stück Land mit drei Rindern beweiden. Das Experiment war ein voller Erfolg und Initialzündung für eine Idee.

Da in Mitteleuropa die großen Weidegänger-Wildarten nicht mehr vorhanden sind, war für den Biologen Gerd Kämmer und sein Team bald klar, es gibt nur einen Weg die biologische Vielfalt zu unterstützen und zu erhalten: Möglichst naturnahe Haustierrassen zur Beweidung der heimischen Landschaften einzusetzen! Denn die großen Pflanzenfresser nehmen aufgrund ihrer Wechselwirkungen mit der Vegetation eine Schlüsselrolle innerhalb der Ökosysteme ein und schaffen so für viele Tier- und Pflanzenarten die Existenzgrundlage. Um die Flächen naturnah zu gestalten und die Artenvielfalt wieder anzukurbeln, sollen den Tieren möglichst viel Platz und Freiheit zur Verfügung stehen. Damit war das Konzept des heutigen Bioland-Betriebs Bunde Wischen geboren, dessen Betriebsleiter Gerd Kämmer heute ist.

© Bund Wischen eG

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Ganzjährige Beweidung

Bunde Wischen ist plattdeutsch und bedeutet „bunte Wiesen“. Gleichzeitig ist der Name eine Reminiszenz an die Ursprünge als Naturschutzgruppe des BUND. Heute bewirtschaftet der Betrieb rund 1.600 Hektar Naturschutzflächen, das sind etwa 3.200 Fußballfelder. Das Besondere: Die Tiere, 900 robuste Galloways, 100 Highland Cattle, sieben White Park Cattle und 75 Koniks (Wildpferd-Rückzüchtung) verbringen das komplette Jahr auf der Weide. „Die ganzjährige Beweidung ist der Schlüsselfaktor für die Artenvielfalt“, macht Kämmer klar. Durch das Weideverhalten der verschiedenen Nutztiere und Rassen ergibt sich das charakteristische Landschaftsbild einer halboffenen Weidelandschaft: strukturreiche Gras-, Kräuter- und Buschbestände, je nach Bodenverhältnissen von der Feuchtwiese bis zum Trockenrasen.

Die ganzjährige Weidehaltung sorgt nicht nur für eine halboffene Weidelandschaft, sondern auch für hochwertiges und schmackhaftes Biofeisch. Da die Ernährung der Tiere ausschließlich auf dem Aufwuchs der oft mageren Grünlandflächen basiert, hat das Fleisch eine besondere Qualität, die vor allem von den Kunden geschätzt wird. Und so gelingt es, das Fleisch über den hofeigenen Bioland-Laden in Schleswig zu vermarkten. Zum Kundenkreis gehören neben Privatkunden auch der Großhandel, der Lebensmitteleinzelhandel und Einkaufkooperativen. Bunde Wischen verkauft jährlich mehr als 200 Rinder über den eigenen Hofladen, Naturkostläden und ausgewählte Läden des Einzelhandels. Weitere Abnehmer sind anspruchsvolle Gastronomen, die sich im Verbund „Feinheimisch“ der Regionalität verschrieben haben.

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Kugelschuss auf der Weide

Landwirtschaft und Naturschutz sind auf Bunde Wischen fest miteinander verbunden. Dabei macht Gerd Kämmer klar: „Ökologie ohne ein vernünftiges, langfristiges und tragfähiges ökonomisches Konzept macht keinen Sinn, denn nur beides zusammen ist nachhaltig.“ Deswegen ist die Vermarktung von Fleisch so wichtig für den Hof. „Nutztiere und deren Produkte schützt man nur, wenn man sie auch wirklich nutzt!“, erklärt Kämmer und zielt dabei ganz direkt auf die Verarbeitung ab. Das Besondere bei Bunde Wischen: Die Tiere werden per Kugelschuss direkt auf der Weide getötet. Was auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig erscheint, ist aber wohl durchdacht. Denn auf diese Art erleiden die Tiere den geringsten Stress. Dies ist das Ergebnis jahrelanger Forschung mit der Universität Kassel.

Auch wenn Bunde Wischen sich mit den Jahren vergrößert hat, das ursprüngliche Ziel ist geblieben: Naturschutz, der sich selbst finanziert. Mittlerweile lässt Bunde Wischen viele Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein beweiden, wie zum Beispiel die Geltinger Birk – der äußerste Zipfel der Flensburger Förde. Auf 500 Hektar Fläche halten Rinder und Pferde Gewässer und Uferbereiche von Gehölzbewuchs frei und sichern so seltenen Amphibien wie Laubfrosch und Rotbauchunken den Lebensraum.

Wie naturnah das Beweidungskonzept mit den Rindern wirklich ist, zeigen Rothirsch Sven und Damhirsch Hannes, die sich jeweils zwei unterschiedlichen Rinderherden angeschlossen haben. Vor allem Sven ist ein treuer Besucher. Die Rinderzäune sind für den Rothirsch dabei kein Hindernis. Seine große Zuneigung gilt der blonden Galloway-Dame Sarina. Auch wenn Sven manchmal für einige Wochen verschwindet, er kehrt immer wieder zu seiner Herde zurück. Das zeigt: Er fühlt sich anscheinend bei den wild lebenden Rindern sehr heimisch – mehr Bio geht einfach nicht.

So besonders Bunde Wischen ist, so individuell und besonders sind eigentlich alle Mitgliedbetriebe der Nordbauern. Gelegentlich schwingt man sich gemeinsam zum Chor auf. Gesungen wird dann das Lied der traditionellen bäuerlichen Landwirtschaft und des Genusshandwerks.

 

 

Königswiller Weg 13
24837 Schleswig
Tel.: 04621-984080

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Hofladen Öffnungszeiten:
Montag Ruhetag
Di. – Fr. 9:00 – 18:00 Uhr
Sa. 9:00 – 13:00 Uh